Hoch

Mit der Durchquerung der Pinienwälder ist es noch lange nicht getan. Wir haben die Vegetationslinie hinter uns gelassen und dennoch über 1000 Höhenmeter weiterhin vor uns.

Zusätzlich habe ich mich dazu entschieden, einen Abstecher zum Tilicho Lake zu unternehmen. Auf diese Weise bleiben wir drei weitere Tage auf etwa 4000 Metern, was die Aklimatisierung erheblich erleichtern sollte. Praktischerweise haben alle Personen, die ich auf meinem Trip bisher kennen gelernt habe, die gleiche Idee. Zusammen mit Vladimir breche ich vom mittelalterlichen Khangsar auf in Richtung Westen. Immer wieder treffen wir auf bekannte Gesichter. Irgendjemand macht aber immer Pause, weswegen wir zu zweit in Richtung Base Camp wandern. Wir durchqueren riesige Landrutschbereiche bevor wir in der Ferne die letzten Hütten vor dem finalen Anstieg zum See erkennen können.

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Obwohl wir nahezu auf ebenem Gelände gewandert sind, sind wir ununterbrochen am Schnaufen. Die Höhenluft fordert seinen Tribut. Wirklich schwierig wird es aber erst am zweiten Tag unseres Abstechers. Von knapp über 4000 geht es hinauf auf 5000 Meter. Hier sind alle mit denen wir unterwegs sind kurz vorm Zusammenbruch. Die Strecke zieht sich und zieht sich und selbst als wir denken, das Plateau des Sees erreicht zu haben müssen wir uns weitere 30 Minuten durch den Schnee schleppen. Zum Glück ist es aktuell noch Windstill und die Kälte somit weitestgehend aushaltbar. Und das Gefühl, es zum höchsten See gemacht zu haben (auch wenn er komplett zugefrorenen ist) entschädigt für sämtliche Strapazen.

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Nach diesem kleinen Abstecher und meinen ersten Erfahrungen über 5000 Meter geht es zurück zum eigentlichen Wanderweg. Es benötigt zwei weitere Tage, bis wir unser letztes Camp vor der Passquerung erreicht haben. Wir schlafen auf 4200 und 4800 Metern, was für sich genommen schon massive Strapazen sind. Neben der Kälte, die in den nicht isolierten und luftdurchlässigem Natursteinunterkünften bis ins Mark dringt, ist die Sauerstoffarmut das größte Problem. Noch nie habe ich so wenig geschlafen und war dennoch so ausgeruht. Jedenfalls ist dies das Gefühl, das man bekommt. Die ganze Nacht wälzt man sich von einer Seite auf die andere, hat niemals das Gefühl auch nur ein Auge zuzulassen und trotzdem wacht man morgens auf und hat unzählige Träume im Kopf. Jeden Abend über 3000 Metern freue ich mich auf das Schlafengehen. Die Nächte sind lang, aber unterhaltsam. Nach der letzten Nacht in High Camp direkt vor dem Pass sehne ich mich allerdings danach, endlich wieder eine normale Nacht zu verbringen. Jeder andere scheinbar auch. Noch vor sechs Uhr morgens sind alle, abgesehen von den Köchen der Lodge, im Speisesaal versammelt. Wir hoffen auf ein frühes Frühstück, um direkt im Anschluss den Pass in Angriff nehmen zu können. Jeder springt von einem Fuß auf den anderen. Einerseits wegen der durchdringenden Kälte, anderseits aus Vorfreude auf die finale Etappe des ersten Teils der Wanderung. Die Köche nehmen es allerdings nicht so genau mit unser geplanten Abreisezeit, weswegen sich alles etwas verspätet. Und man muss gestehen, dass dies womöglich das beste war, was uns passieren konnte. Der Himmel ist wolkenverhangen und die Sicht unter 50 Metern. Die extra Stunde die wir warten sorgt für eine weitaus bessere Sicht.

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Umgeben von halb verdeckten Gipfel und einer mystischen Atmosphäre machen wir uns auf den Weg in Richtung pass. Die Strecke ist flacher als die vorherigen Tage, trotzdem ist jeder Schritt ein kleiner Erfolg. Jeder der mit mir den Berg hoch stapft hat seine eigene Technik, diese Etappe zu meistern. Einige machen keine Pausen um ja nicht aus dem Rhythmus zu kommen, andere fokussieren sich komplett auf ihre Atmung und die Strecke und meditieren sich in ihre eigene kleine Blase. Ich versuche mich mit regelmäßiger ruhiger Atmung, gepaart mit kurzen Pausen für Feueratem auf der Strecke zu halten. Nebenbei wechsele ich immer wieder Worte mit Rob, der nicht nur Tempo sondern auch Humor mit mir teilt.

Und früher als wir es für möglich gehalten haben stehen wir bereits in einem Meer aus Gebetsflaggen. Vor uns klart der Himmel schlagartig auf und gibt den Blick auf die Steppen Mustangs frei. Wir stehen mitten in den eisigen Höhen des Thorong La und können unzählige Kilometer zu den Gipfeln der Upper Mustang Region blicken. Kein Gesicht, auf dem kein fettes Grinsen ist. Zur Überraschung aller ist sogar der Teeshop direkt am Pass geöffnet. Wenn das kein Grund zum Feiern ist.

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