geschunden

Mehr muss jetzt auch nicht sein. Drei Tage Grampians reichen mir. Ich reise weiter. Die letzten Tage waren zwar eigentlich Urlaub, aber doch die wohl härtesten, die ich bisher in Australien hatte.

Der Grampians National Park ist für Australien recht klein. Trotzdem ist man ohne Auto hier komplett aufgeschmissen. Halls Gap liegt zwar sehr nah an allen „Attraktionen“, zu Fuß oder mit dem Fahrrad sind sie aber kaum erreichbar.
Die kleine Wanderung an meinem ersten Tag hat insgesamt ca. 5 Stunden gedauert – ich gebe zu ich habe getrödelt, die Gesamtstrecke war leicht unter 10km – der Rückweg aber war bis dato das sportliche Hochereignis meiner Reise.

Ich hatte mich direkt nach meiner Ankunft in Halls Gap auf den Weg zum Pinnacle (ein kleiner Berg direkt an der Stadt) gemacht und demnach nichts fürs Abendbrot eingekauft. Als ich den Gipfel dann erklommen hatte viel mir auf, dass die Läden in  einer knappen Stunde schließen. Von der Angst getrieben, an diesem Tag keine einzige richtige Mahlzeit zu mir zu nehmen (Frühstück und Mittag hatte ich wegen der Busfahrt ausgelassen und auf dem Weg zum Gipfel habe ich mich ausschließlich von Müsliriegeln und Obst ernährt), habe ich binnen Sekunden in den „Legolas-Modus“ gewechselt. Ich bin den Weg, den ich vorher hochgeklommen bin, blindlings wieder runter gerannt und habe alle 200m nach der korrekten Richtung ausschau gehalten. Sonst bin ich wahrlich filmreif über weite Flächen blanken Gesteins und durch mystische Urwälder gerannt. Nur die Helikopterkamera hat gefehlt. Hat der Aufstieg mit einer Vielzahl von Pausen, Umwegen und Klettereinheiten (überall, wo eine Leiter ist kommt man auch ohne sie hoch) noch viereinhalb Stunden in Anspruch genommen, so hab ich für den Rückweg nicht mal eine halbe Stunde gebraucht. Ich konnte also immerhin eine ordentliche Mahlzeit einnehmen.

Was ich an meinem zweiten Tag (heute) versucht habe, hat aber alles bisher dagewesene in den Schatten gestellt. In der Nähe von Halls Gap (ca. 17km) liegen die Mackenzie Waterfalls. Hin- und Rückweg sowie einige kleine Abstecher sollten demnach nicht mehr als 50km sein. Eine Strecke, die mit dem Fahrrad problemlos zu bewältigen ist. Allerdings habe ich bei meiner Planung leider vier Kleinigkeiten übersehen. Erstens: Die Temperatur heute beträgt 35°C. Zweitens: Der komplette Weg zu den Mackenzie Falls liegt in der prallen Sonne – Schatten sucht man vergebens. Drittens: Die Strecke ist zwar recht kurz, die Höhendifferenz aber umso größer – Steigungen im einstelligen Bereich sind hier die Ausnahme. Viertens: Das Fahrrad. Ich ging davon aus, dass es nicht schlimmer werden kann, als das, was ich bei meiner Fahrt zum Wasserfall in Apollo Bay hatte. Diesmal ist das Fahrrad aber nicht nur zu klein; der Sattel kann auch nicht in der Höhe verstellt werden und die 28-Gang-Schaltung erlaubt einem nicht die Benutzung von allen Gängen.

In blindem Enthusiasmus beginne ich also gegen halb zwölf meinen Aufstieg. Nach zwei bis drei Stunden habe ich dann auch schon die ersten sieben Kilometer des Aufstiegs hinter und nur noch zehn weitere vor mir. Ich werfe mein Fahrrad an den Straßenrand und  versuche bis zu den Wasserfällen zu trampen. Vergeblich. Nach einer Stunde und exakt drei Autos, von denen keines anhält setze ich mich wieder auf mein Fahrrad und rolle den Berg hinunter. Ich muss meine Sonnenbrille aufsetzen – nicht aber wegen der Sonne, sondern wegen des Fahrtwindes. Ich trete kein einziges mal in die Pedalen und bin dennoch nach 15 Minuten schon wieder unten. Dafür hat sich die Schinderei beinahe gelohnt.

Da der Tag noch lange nicht zu ende ist, entscheide ich mich für eine weitere kleine Wanderung in die andere Richtung. Leider übersehe ich hier die Abzweigung zu meinem eigentlichen Ziel und lange irgendwo im nirgendwo. Nachdem ich mich eine Stunde durch tiefsten Busch geschlagen habe und die verrücktesten Klippen beklettert habe, lande ich dann doch irgendwann auf der Hauptstraße und komme nach einer etwas länger als erwarteten Runde wieder im Hostel an. Es hat zwar ewig gedauert und war ungemein kräftezehrend, aber die geilste „Wanderung“, die ich jemals gemacht hab.

Jetzt brauch ich aber erstmal wieder Erholung.


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Kommentare

2 Antworten zu „geschunden“

  1. Avatar von ma
    ma

    Ja, die Natur ist schon was Feines.
    Aber der frühe Vogel fängt den Wurm ( halb zwölf Tourbeginn….
    ??)

  2. Avatar von Vany ;)
    Vany 😉

    Gut, dass du schon so oft im Harz gewandert bist 😉

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