Ideale

Rein in den Bus, Losfahren, raus aus dem Bus, ein paar Fotos schießen, wieder rein in den Bus, Weiterfahren, wieder raus, noch einmal ein paar Fotos schießen, weiter im Bus, Anhalten, Lunchstopp und Pipipause.

Von all den Arten des Reisens habe ich die Busreisen nie für voll genommen. Nie wollte ich an diesem Spektakel des Massentourismus teilnehmen; nie den Geist des Backpackens komplett töten; wenigstens warten, bis ich auch zu der Generation 60+ gehöre, bevor ich mich dieser Massenabfertigung von Reisenden anschließe.

Und weniger als drei Monate später haben sich all meine guten Vorsätze in Luft aufgelöst (gelockt von dem unschlagbaren Preis) und ich sitze in einer Meute junger Backpacker und toure durch Neuseeland in einem der vielen Backpackerbusse. Genau das, wo gegen ich immer gewettert habe und jetzt muss ich gestehen. So schlecht wie immer gedacht ist es nun doch nicht. Klar, man ist auf keinen Fall der erste, der seine Spuren hier zieht. Man ist immer ein kleiner Teil einer großen Gruppe (auf jeden Fall im Süden der Südinsel – im Norden waren wir oft nur eine Handvoll im Bus). Und doch hat es auch seine Vorteile. Man sieht viele Dinge, die man in öffentlichen Verkehrsmitteln einfach auslassen würde, weil es wirklich nur diese kleinen Zwischenstopps sind  – die Fotostopps. Und man trifft die ganze Zeit mehr oder weniger Gleichgesinnte. Was aber auch stark auf die Busagentur ankommt. Jede, der verschiedenen Backpackerbuscompanies hat ihr eigenes Klientel. Von Sauftouristen bis zu den etwas Ernsteren. Es ist für alle was dabei. Und so kann man zwar nicht mehr auf die Bustouristen im Allgemeinen hinunter schauen, aber immer noch auf die anderen Busgruppen. Kein Tag vergeht, ohne das „wir“ über die „anderen“ lästern. Und umgekehrt.

Und bei dem Umhertouren fällt einem dann noch was weiteres auf. Jedenfalls hier im Süden Neuseelands. Man wird immer kitschiger.

Bilder, die eigentlich nur bei Oma im Holzrahmen „Buche Rustikal“ über dem Fernseher mit Häkeldecke hängen – Bergpanorama gespiegelt im Königssee; erste Strahlen der Morgensonne scheinen über den Berg und brechen sich in den Nebelschwaden über der grünen Wiese, auf der ein junges Rehkitz steht und die in Kamera schaut; Bergbach plätschert durch tiefgrünen Wald, von dessen Blättern der Morgentau tropft – alle diese Motive findet man nun auch auf meiner Kamera. Ich sorge einfach schon einmal vor und schieße die Fotos, die ich mir in 60 Jahren über meinen Fernseher hänge. Oder in zehn Jahren als Fotoleinwand in meine Kammer im Großraumbüro hänge. Man weiß ja nie, was aus seinen Idealen wird.


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Kommentare

Eine Antwort zu „Ideale“

  1. Avatar von FloJo
    FloJo

    du könntest die Fotos auch als Postkartenmotive vermarkten 😉

    wünsch dir noch einen schönen Aufenthalt und bis bald!

    Flo

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