Kalt und roh

Jetlag kann auch so seine Vorteile haben. Ich wache verfrüht auf, gehe aber zu einer normalen Zeit zu Bett. Das Ergebnis: Der Tag ist länger. Der Preis ist zwar, dass ich dabei komplett fertig werde. Langsam schwinden die Kräfte. In meinen ersten Tagen musste ich es aber sogleich ausnutzen.

Noch den neuseeländischen Rhythmus im Blut wache ich die ersten Tage zwischen Vier und Sechs auf. Welch besseren Zeitvertreib gibt es da, als mit verschlafenen Augen und müden Gliedern inzwischen von rasenden Transportern, schreienden Auktionatoren, gefrorenen Thunfischen und fotografierwütigen Touristen auf einem der größten Fischmärkte der Welt umher zu streifen. Gelockt von einem Vormittag voller Chaos und Fisch bin ich kurzerhand morgens um Fünf mit der ersten U-Bahn zum Tsukijimarkt gefahren. Jeden Tag kommt hier frühmorgens der Fang aus aller Herren Meere an, von wenigen Zentimeter großen Muscheln bis hin zu mehreren hundert Kilo schweren Thunfischen.

Beim ersten Betreten des Marktes komme ich mir vor wie im Irrenhaus. Es herrscht reger Betrieb. Von allen Seiten kommen kleine Lieferwagen angerast. Die Pfade sind kaum mehr als vier Meter breit. Überall stehen riesige Trucks. Links und rechts häufen sich meterhohe Styroporberge aus den ganzen weggeschmissenen Kühlboxen. Einige Händler laufen umher, die meisten fahren aber auf ihren kleinen Transportern. Keiner hupt aber alle drängeln. Und inzwischen des ganzen Gewusels versuchen immer wieder ein paar Touristen zum Auktionshaus zu kommen, dem Highlight des Marktes.

In einer riesigen Lagerhalle liegen hunderte von mächtigen, gefrorenen Thunfischen. Zwischen den Reihen wandern die Händler hindurch und inspizieren den Fang. Nach einigen Minuten bricht dann der Wahnsinn los. Glocken fangen an zu klingeln und wenige Sekunden später fangen auch die Auktionatoren an wie wild die Preise auszurufen. Während sie vom Schreien rot anlaufen und hyperventilieren, heben die Händler nur ab und zu ein paar Finger. Wenig später ist das Spektakel auch schon wieder vorbei, aller Fisch verkauft und schon aus der Halle gezogen. Während die verkauften Fische nun von meterlangen Sägen klein geschnitten wird, werden schon die nächsten Fische in die Halle gebracht und das Spiel beginnt von vorn.

Ich verlasse die Auktion, spaziere noch ein wenig durch die vielen Halle und werfe einen Blick auf Waren aus aller Herren Länder. Komme mehrmals beinahe unter die Räder und entscheide mich nun doch lieber in die Sicherheit eines Sushirestaurants zu flüchten. Es ist Frühstückszeit und wo kann der Fisch frischer sein, als am Markt. Vor den Restaurants auf dem Marktgelände sind teilweise meterlange Schlangen. Doch die Auswahl ist groß und ich finde einen Laden, der einladend und doch nicht zu voll aussieht. Nach Tausenden von Portionen Sushi in Australien und Neuseeland kann ich nun endlich „echtes“ Sushi von einem japanischen Sushimeister probieren. Nebenbei werden mir noch die Geheimnisse des korrekten Sushiessens verraten und ich gönne mir zum Frühstück eine riesigen Portion rohen Fisch und Reis.

Und während ich zurück zum Hostel gehe um noch ein wenig Schlaf nach zu holen, wacht auch der Rest der Stadt dann auf.


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