Tagnacht

Die letzten Tage ist es ein wenig still hier geworden. Liegt aber nicht an mangelndem Material. Das Problem ist die Zeit. Wie soll ich zum Schreiben kommen, wenn ich kaum Zeit zum Schlafen habe. Werde versuche die verpassten Tage nachzuholen. Doch wo fang ich an… Am besten mit dem, was noch frisch ist.

Ich wache auf. Es ist schon fast mitten in der Nacht. Wälze mich ein paar mal von der einen auf die andere Seite. Ich quäle mich aus dem Bett, dusche, zieh mich an, mach mich fertig. Wer weiß, wann ich wieder nach Tokyo komme. Muss die Zeit, die ich hier habe, komplett ausnutzen. Das hat in der Vergangenheit schon oft dazu geführt, dass ich zu den unmmenschlichsten Zeiten mich aus dem Bett quäle und tagsüber schlafe. Um vier Uhr morgens ging es zum Fischmarkt, heute geht es um Mitternacht noch einmal raus. Es gibt immer noch einen Stadtteil von Tokyo, den ich noch nicht gesehen habe und einen Club, den ich besuchen muss.  Ich hoffe, dass ich reinkomme. Wenn nicht, bin ich die Nacht über in der Stadt gefangen. Von Mitternacht bis Fünf Uhr morgens fahren keinen U-Bahnen. Es ist 23:30. Ich bin müde und steige in eine der letzten U-Bahnen des Tages. Die Bahn ist fast komplett voll, es ist Freitag Nacht, die Meisten fahren nach Hause.

In Shibuya angekommen werde ich von den Eindrücken erschlagen. Es ist kurz nach Mitternacht, Neonreklamen erleuchten die Kreuzung taghell, überall rennen noch Menschen herum. Ich versuche mich zurecht zu finden, bin aber trotz Karte nicht in der Lage mich zu orientieren. Frage eine Konfliktschlichterstreife, ob sie mir den Weg zeigen kann. Plötzlich bin ich der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Die Patrouille wird von einem Kamerateam begleitet, das anscheinend den Arbeitsalltag des Teams dokumentiert. Ob sie wirklich gebraucht werden, glaubt man kaum. Tausende Jugendliche sind auf den Straßen, alle Gruppen sind vertreten; Hopper, Goths, Dance- und Mangafans, Japaner und Ausländer. Und doch ist nicht die geringste Form von Konflikten zu spüren. Die Atmosphäre ist komplett entspannt, trotz einer Unzahl von Angetrunken aller Gruppen. Nach einer kurzen Besprechung werde ich von ca. zehn Personen direkt zum Eingang des Clubs gebracht. Und ich einigen Wochen kann es jeder hier in Japan sehen. Alleine hätte ich ihn aber auch nie gefunden. Mitten in einer schmalen Gasse, eine riesige Betonwand mit einem winzigkleinen Schild, nichtmal eine Schlange ist draußen, alle warten drinnen im Trockenen.

Ich betrete den Laden und stelle mit Erschrecken fest, dass Ausweise kontrolliert werden. Am Türsteher hört die Reise in die Welt der Highclassclubs dann auch schon auf. Das Trinkalter in Japan ist 20. Da fehlen mir noch ein paar Monate. Ich zeige meinen Ausweis vor, der Türsteher mustert ihn und lässt mich rein. Der Sinn der Kontrolle wird mir nicht bewusst.

Ich trete durch die erste Tür, stehe in einer Art Lounge/Restaurant. Von oben kann man schon die Musik hören. Ich hole mir ein Getränk und gehe in den ersten Stock. Der Club ist der Wahnsinn. Eine riesen Tanzfläche, genug Platz für jeden, man muss nicht lange auf seine Getränke warten. Und doch sind mindestens 1000 Personen hier. Und die Licht- und Soundanlage ist einfach weltklasse. Die nächsten Stunden sind der Wahnsinn.

Mit dem Aufgang der Sonne gehen dann auch die Lichter im Club aus bzw die Beleuchtung an. Die Massen verstreuen sich, die meisten wandern zurück zur U-Bahn-Station. Es ist 5:30. Ich bin hellwach und steige in eine der ersten U-Bahnen des Tages. Die Bahn ist nur leicht gefüllt, es ist Samstag Morgen, die meisten fahren nach Hause.


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