Frostiger Urwald

Endlich in Patagonien angekommen geht es direkt auf die erste Wanderung. Wird sind zwar einiges weiter südlich als zuvor in den Anden, dafür aber auch etwa 3000 Höhenmeter niedriger. Ich erwarte Wald und Flüsse.

Der Start der Tour ist recht langweilig, erinnert er stark an den Harz. Man geht einen breiten Forstweg minimal bergauf, umgeben von braunen Nadelbäumen. Mit der Zeit wird der Weg enger und der Wald grüner, bis man schlussendlich von einer Art Regenwald umgeben ist. In der Ferne vernimmt man ein Donnern, der Fluss scheint größer als erwartet.

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Nach einigen Hügeln und Kurven bewahrheitet sich diese Vermutung auch. So muss Patagonien sein. Das Wasser ist klarer als alles, was ich zuvor gesehen habe. Die Bäume grüner, der leichte Nebel und regen erfrischender. Ich wandere weitere durch den immer lichter werdenden Wald den Gipfeln entgegen. Ein See hinter den Gipfeln ist das heutige Ziel. An ihm vorbei soll der Abstieg auf der anderen Seite des Berges den Tag beenden.

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Ich gewinne langsam an Höhe und die Bäume werden immer flacher. Nach etwas mehr als halber Strecke tut sich ein recht imposanter Wasserfall auf, der sämtliche Zweifel, die ich bisher an dem Vorhaben Patagonien hatte, in Luft auflöst. Ein kleiner Weg neben den Steinen führt mich auf ein riesiges Plateau unter den Steilwänden der vielen Gipfel um mich herum. Ich befinde mich in einer Art Kessel aus Urwald, inmitten schroffer Steinwände. Der Wasserfall, der mich vor einigen Minuten noch überwältigt hat, wird von einem weitaus größeren in den Schatten gestellt. Dort oben am Ende der Felswand muss der See liegen. Der Himmel ist wolkenverhangen und das weiß verschmilzt mit den schneebedeckten Gipfeln. Ich realisiere langsam, dass der See hinter diesen Gipfeln liegt und der Weg dorthin durch die Schneefelder führt. Zu Beginn des Tages hatte ich mit Schnee nur aus der Ferne gerechnet, aktuell geh ich davon aus am Rande von Schneefeldern zu wandern. Der Weg wird immer steiler, Wald und nackter Felsen wechseln sich ab. Serpentine um Serpentine gewinne ich rasant an Höhe.

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Der Regen wird stärker und es mischt sich immer mehr Schnee dazu. Aus vereinzelten Schneehaufen werden stattliche Felder, die es nicht mehr zum umschreiten geht. Der Pfad führt quer über riesige Schneefelder, nur noch vereinzelt unterbrochen von Inseln aus Stein. Die Zeit wird immer knapper und ich setze mir ein Le Uhrzeit, zu der ich spätestens umkehren muss um sicher nach hause zu kommen. Eine knappe Stunde bleibt mir noch um den komplett verschneiten Aufstieg zu bewältigen. Immer wieder sinken meine Füße im lockeren Schnee ein. Ich verfluche das Wetter, will allerdings den See sehen. Durch Wind, Schnee und Kälte kämpfe ich mich hoch zur Kuppe und sehe endlich den schwarzen See. Fünfzehn Minuten vor meinem selbstgesetzten Limit.

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Oben angekommen steuere ich das Refugium an. Einmal kurz aufwärmen und Tipps für den Abstieg locken mich in die Behausung. Dort erfahre ich, dass eine Überschreitung des Berges aufgrund von Lawinen um den See herum nicht möglich ist. Sämtliche Wege sind verschüttet. Der Abstieg führt mich daher in meinen eigenen Fußstapfen vom Eis zurück in den Urwald.


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