Sturm und Zwang

Lange habe ich gegrübelt, ob ich den kurzen oder langen Torres del Paine Trek in Angriff nehme. Ich hab sechs bis sieben Tage Zeit, was zu viel für die kurze und zu wenig für die lange Runde ist. Ich schwanke zwischen einer super gemütlichen kurzen oder extrem harten langen Wanderung. Nachdem der Ausflug in den Fitz Roy Park aber so gemütlich war, entscheide ich mich für die anstrengende Version und begeben mich auf den Circuit.

1. Tag

Während der Fahrt zum Torres del Paine treffe ich erneut die Amerikaner aus dem Fitz Roy Park. Überall in Patagonien rennt man in die gleichen Leute. Nur um sie einige Momente später wieder aus den Augen zu verlieren.

Ich beginne die Wanderung direkt am Parkeingang. Das Wetter zu Beginn ist sehr gut, zieht aber immer weiter zu. Regen und Wind setzen ein. Nach dem ersten Campingplatz kommt auch direkt die erste kleine Passquerung. Dahinter setzen extremste Winde ein. Ich muss aufpassen nicht weggelegt zu werden. Es ist womöglich echt von Vorteil, dass mein Rucksack noch so schwer ist. Das Wetter und seine Umschwünge sind ein guter Vorgeschmack auf die kommenden Tage…

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Im nächsten Camp wird direkt das Zelt aufgeschlagen, kurz gewaschen und früh ins Bett gegangen. Verschiedene Leute sagen verschiedene Sachen zum kommenden großen Pass. Eigentlich will ich ihn direkt am nächsten Tag machen, muss dafür allerdings extrem früh dort sein. Mir werden alle Zeiten zwischen 8 und 14 Uhr für den Beginn der Etappe ab dem nächsten Zeltplatz genannt. Und der ist drei Stunden entfernt.

2. Tag

Ich verlasse gegen 8:30 das Camp und überhole auf dem Weg einige Male eine Gruppe Amerikaner. Immer wenn sie oder ich eine Pause in dem märchenhaften Wald, in dem leise die Schneeflocken zu Boden rieseln, einlegen, kommen wir aneinander vorbei. Da wir eigentlich aber exakt gleich schnell unterwegs sind, erreichen wir gemeinsam das erste Camp, geplant nur als Zwischenstopp. Sind noch vor 12 Uhr da, zu diesem Zeitpunkt ist der Pass allerdings schon gesperrt. Der anfänglich romantische Schneefall hat sich inzwischen auch in einen tobenden Wintereinbruch verwandelt. Mussten wir am Anfang den Boden nur minimal vom Schnee befreien um die Zelte auf guten Boden stellen zu können, befreien wir sie gegen Nachmittag regelmäßig von einer dicken Schneedecke. Alle sind mit 3-season Zelten unterwegs und wir fragen uns die ganze Zeit, an welchem Problem diese Zelte wohl scheitern würden. Wir haben etwas Angst, dass sie unter der Schneelast zusammensacken könnten.

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Zum Glück gibt es eine Hütte, zwar nicht isoliert aber ausgestattet mit einem Ofen, in der wir uns den Rest des Tages aufhalten und die Zeit mit Essen und Reden verbringen. Immer mehr Wanderer und kleine Gruppen erreichen den Campingplatz und die Hütte füllt sich rasch mit Leben. Am Ende das Tages sind es bestimmt 30 Leute, die hier gemeinsam Unterschlupf finden. Trotz, vielleicht auch wegen, des immer katastrophalen Wetters ist die Stimmung sehr ausgelassen. Das gemeinsame Erlebnis, das gemeinsame Leid, schweißen zusammen. Alle tauschen sich munter über vergangene Wanderungen und zukünftige Pläne aus. Aus vielen einzelnen Personen ist eine große Gemeinschaft geworden, die sich die kommenden Tage auf dem Trek weiter zusammengehörig fühlen wird.

Erneut entscheiden wir uns, früh aufzustehen, diesmal um den Pass direkt bei Tagesanbruch zu versuchen. Einige andere Gruppen inklusive Guide wollen es ebenfalls probieren…

3. Tag

Diesen Tag muss die Überquerung des Passes klappen, ansonsten gerät mein Zeitplan aus den Fugen. Die Amerikaner und ich machen uns nach einem frühen Frühstück um etwa halb 8 auf den Weg aus dem Camp. Einige kleine Gruppen sind bereits vor uns los, was uns von der Arbeit befreit, den Weg zu räumen. Der Schneefall wird immer dichter und nach kurzer Zeit sind alle Gruppen auf einem Haufen. Das vorankommen erweist sich durch den tiefen Schnee sowohl anstrengend als auch uneindeutig. Die Spuren der letzten Tage sind verweht und eingeschneit, in Abschnitten müssen wir durch hüftfiefen Schnee waten.

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Es ist unser Glück, dass sich einer der guides einer geführten Gruppe bereit erklärt, die Spur für alle zu laufen. Selbst in den von ihm erzeugten Pfad ist das Vorankommen noch schwierig. Es ist einfach nur beachtlich was der Guide vor uns leistet. Etwa vier Stunden kämpft er sich durch den Schnee und räumt den Weg für uns. Oben auf dem Pass sind Schnee und Wind derart stark, dass zum Teil nur weiß zu sehen ist. Meine Finger sind taub, fotografieren wird unmöglich. Viel würde man auf den Bildern aber wohl eh nicht sehen. Ich hake den Blick über den Grey Gletscher, eine der Gründe den Circuit zu laufen, ab. Manche machen es für die Aussicht, wir für das Erlebnis.

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Sobald wir jedoch die Kuppe überschreiten klart der Himmel plötzlich auf. Nicht dass es gutes Wetter wäre, aber die Sicht über den Gletscher ist weitestgehend möglich. Welche Belohnung. Die Aussicht ist aufgrund der eisigen Kälte jedoch nur von kurzer Freude. Fotos machen wird aufgrund der abgefrorenen Finger zur Qual.

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